Conference with Salvador Minuchin

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Salvador Minuchin
Helm Stierlin
Marie-Luise Conen

Dem Abonnement neu hinzugefügt wurde die Conference with Salvador Minuchin von 2003.

Salvador Minuchin ist ein wirklicher Pionier der Familientherapie. 1967 prägte er durch seine Arbeit mit verhaltensgestörten Kindern aus Unterschichtsfamilien in New York den Begriff „Strukturelle Familientherapie“. Sein Arbeitsstil ist bestimmend und gleichzeitig freundlich. Am beeindruckendsten ist jedoch sein großes Einfühlungsvermögen, seine phänomenale Fähigkeit, emotionalen Zugang zu ganz unterschiedlichen Klienten und Familiensystemen zu bekommen.

Die Konferenz startet mit zwei Familien-Interviews von Salvador Minuchin. Danach folgen drei Vorträge von Salvador Minuchin, Helm Stierlin und Marie-Luise Conen und zwei Diskussionsrunde. Zum Abschluss folgen erneute Interviews mit den beiden Familien.

Erstes Interview mit Familie A

Teil 1 & Teil 2 (gut verständliches Englisch, Sequenzen des Interviews werden ins Deutsche übersetzt)

In dem ersten Interview ist der 16-jährige Mario der Index-Patient. Er leidet seit der Trennung der Eltern an Magenschmerzen und Koliken. Seit acht Wochen wird er in einer psychosomatischen Fachklinik behandelt. Mario ist ein junger Mann, der sehr klug, sensibel und darauf bedacht ist, niemandem weh zu tun. An dem Gespräch nehmen außerdem teil: Die 46-jährige Mutter, der 13-jährige Bruder und die 20-jährige, verheiratete Schwester. Es ist eine Familie zu erleben, die sehr liebevoll und beschützend miteinander umgeht, in der jegliche Ausdrucksformen für Negatives oder Aggressionen fehlen.

Salvador Minuchin stellt das 75-minütige Familiengespräch in einzelnen Sequenzen vor und erläutert zwischendurch seine Vorgehensweisen und Intentionen. Er betont, dass es ihm dabei nicht um Theorie und Wissenschaft, sondern um das therapeutische Handwerkszeug geht. Im Anschluss wird dem Publikum Gelegenheit für Fragen und Anmerkungen gegeben.

Erstes Interview mit Familie B

Interview (Englisch mit deutscher Konsekutivübersetzung)

In diesem Familien-Interview handelt es sich um eine Familie mit neun Kindern. Neben den Eltern sind sechs Kinder anwesend. Das zentrale Ereignis ist der Suizidversuch der 13-jährigen Tochter. Dahinter verbergen sich Kommunikations- und Beziehungsprobleme, Überlastung und fehlende Unterstützung. Salvador Minuchin versucht ein wechselseitiges, familiäres Helfersystem zu installieren. Geschickt setzt er Herausforderungen in einen Rahmen von Respekt und Wertschätzung und gibt der Familie die Möglichkeit, in ihrer spezifischen Art über die Dinge zu sprechen, die sie berühren. Gleichzeitig weist er mit Fragen auf mögliche Lösungen hin. Ein Beispiel: An die sichtbar überlastete Mutter freundlich zugewandt: „Wissen Sie, ein Therapeut hört Stimmen. Wann haben Sie sich von ihrem Mann scheiden lassen und haben ihre Kinder geheiratet?“

Salvador Minuchin: Die Entwicklung der Therapeutischen Autorität

Teil 1 & Teil 2 (Englisch mit deutscher Konsekutivübersetzung)

Salvador Minuchin schildert die Etappen der Entwicklung seines therapeutischen Stiles und seines Denkens über die letzten vier Jahrzehnte. Drei Videodokumentationen veranschaulichen die unterschiedlichen Perioden.

Das erste Band aus dem Jahr 1976 zeigt 10 Minuten einer „Anti-Familientherapie“, in der es Salvador Minuchin darum geht, den Patienten vor der destruktiven Familienkonstellation zu retten.

Der Einfluss vom feministischen Ansatz und vor allem einer systemischen Sichtweise auf die Familientherapie, zeigt sich in der zweiten Videosequenz aus dem Jahr 1984. Salvador Minuchin wirkt hier als Katalysator für einen Heilungsprozess.

Das dritte Video aus dem Ende der neunziger Jahre zeigt die sozialpolitische Erweiterung der Familientherapie. Das Video zeigt einen Therapieausschnitt mit einer Unterschichtsfamilie, die mit sieben Institutionen in Verbindung steht. In einer weiteren Sequenz wird die Diskussion des „Reflecting Teams“ dokumentiert.

Salvador Minuchin war die letzten acht Jahre als gesundheitspolitischer Berater des Staates Massachusetts tätig. Die familientherapeutische Arbeit unter Einbeziehung des sozialen Kontextes und, in einem nächsten Schritt, die politische Einflussnahme auf Institutionen, ist das zentrale Thema der Fragerunde im Plenum.

Helm Stierlin: Salvador Minuchins Einfluss auf die Entwicklung der Familientherapie

Vortrag (Deutsch)

Helm Stierlin, der Pionier und die entscheidende Persönlichkeit der systemischen Familientherapie, schildert seine frühen Erlebnisse mit Salvador Minuchin und wie sich daraus eine völlig neue Betrachtungsweise von Familientherapie ergab. Besonders inspirierend war der autoritäre und gegenwartsorientierte Therapiestil mit Slum-Familien. Helm Stierlin diskutiert diesen Therapieansatz in Kombination mit Psychoanalyse und dem Mailänder Modell. Abschließend hält er einen Ausblick auf die familientherapeutische Arbeit des Heidelberger Instituts.

Marie-Luise Conen: Wohlwollende Herausforderung – eine Herausforderung

Vortrag (Deutsch)

Marie-Luise Conens Rede ist ein Plädoyer für das Handeln und Einmischen, für authentische Anteilnahme an den Lebensgeschichten von Klienten, für die Realisierung und Einbeziehung der politischen Dimension. Ihren theoretischen Hintergrund bildet eine Kombination aus dem Mailänder Modell mit dem Ansatz von S. Minuchin. Besonders ihm verdankt sie viele Inspirationen. Wertschätzend hebt sie seine therapeutische Haltung hervor, die gekennzeichnet ist durch Wohlwollen und Ermutigung einerseits und andererseits auch durch Klarheit, Konkretheit und Brisanz. Marie-Luise Conen diskutiert mit zahlreichen Praxisbeispielen und viel Leidenschaft die Fragen von Autorität, Verantwortung und Machtausübung, sowie die Rolle des Therapeuten als „Veränderungsagenten“, als Zuarbeiter für Anpassung an Normen. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Auswirkung der persönlichen Prämissen, bzw. der Haltung des Therapeuten auf die individuellen Veränderungen der Klienten.

Diskussionsrunden

Diskussion 1 & Diskussion 2 (Englisch mit deutscher Konsekutivübersetzung)

Unter der Moderation von Rüdiger Retzlaff nehmen an der ersten Diskussionsrunde Sal Minuchin, Helm Stierlin und Marie-Luise Conen teil.

Folgende Themen werden diskutiert:
Direktive versus indirektive Vorgehensweise in der Systemischen Therapie, die therapeutische Ausbildung der Mailänder Gruppe, die Zukunft der Systemischen Familientherapie.

Zu der zweiten Diskussionsrunde kommen folgende Teilnehmer/innen hinzu: Gunther Schmidt, Maria Bosch, Wolf Ritscher.

Die Diskussionsthemen:
Familientherapie auf dem Hintergrund von Ideologie und Politik, Engagement in der therapeutischen Begegnung, Familientherapie in Deutschland, Kinder in der Familientherapie.

Das zweite Interview mit Familie B

Interview (Englisch mit deutscher Konsekutivübersetzung)

Salvador Minuchin widmet diese Sitzung hauptsächlich den Eltern. Seine Intention ist, dass sie trotz ihrer Arbeit und Verantwortung für die neun Kinder eine neue Form der Beziehungsgestaltung als Ehepaar finden. Die anwesenden vier Kinder bilden bei diesem Prozess eine aufmerksame und aktive Audienz.

Das zweite Interview mit Familie A

Interview (Englisch mit deutscher Konsekutivübersetzung)

Salvador Minuchin wendet sich der Symptomatik des Sohnes Mario erst im letzten Teil des Interviews zu. Zentrales Thema dagegen ist die gegenseitige tiefe Verbundenheit zwischen der Mutter und den Kindern (Liebe kann ein Käfig sein. S.M.). In einem Rahmen von Emotionalität und Intensität werden Sichtweisen und Verhaltensmuster aufgedeckt, in Frage gestellt und Lösungen aufgezeigt.

Salvador Minuchins prägnanter Lehrstil, seine authentische Vorgehensweise und sein verschmitzter Humor kommen so noch einmal wunderbar zum Ausdruck. Die kritisch-sarkastische Anmerkung eines Teilnehmers bezüglich des gerade erlebten Interviews, er verstände jetzt den Unterschied zwischen struktureller und systemischer Familientherapie, beantwortet Minuchin verschmitzt folgendermaßen: „Das ist gut, dann können Sie mir das ja erklären.“ Und wieder ernsthaft: „Es ist doch ein wichtiges Problem, dass wir soviel gelesen haben, dass wir die idiosynkratischen Aspekte des gegenwärtigen Klienten gar nicht mehr wahrnehmen.“ Diese drei Tage mit Salvador Minuchin in Heidelberg haben auf mehreren Ebenen sensibilisiert.

 

 

Eine Produktion der VCR GmbH in Zusammenarbeit mit Bernhard Trenkle und dem Milton Erickson Institut Rottweil. Aufgezeichnet in Heidelberg vom 23.-25. Mai 2003